Freitag, 14. August 2009

Tag 9&10

20:03 Uhr: "Liebe Fahrgäste in kürze erreichen wir Braunschweig Hauptbahnhof…"

Ich befinde mich also schon auf dem Heimweg. Das Seminar hab ich hinter mir und es sind noch genau 3 Tage 11 Stunden und 7 Minuten bis zu meinem Abflug. Aber erst mal zu den letzen beiden Tagen:

Tag 9:

Der Donnerstagvormittag stand unter dem Motto Gender. Wie sehr dürfen oder müssen wir in unserem Gastland Mann oder Frau sein? Welche Rollen werden dem jeweiligen Geschlecht zugeordnet und in welchem Umfang können wir diesen zustimmen? Wie glauben wir mit unserer Sexualität umgehen zu können beziehungsweise dürfen? Alles Fragen die, denke ich, sehr wichtig für die Orientierung sind. Da war es eigentlich Schade, dass diesem Thema nur ein Vormittag gewidmet wurde, zumal Rui, der Teamer aus Portugal, einfach ein toller Referent ist.

Für den Nachmittag wurde uns "Das Experiment" angekündigt, bei diesem Begriff hatten wir schon alle Angst vor einem der obligatorischen, pädagogischen Spielchen. Eigentlich erwartete uns aber etwas ganz anderes: Wir bekamen alle einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem zu lesen war: "Zertifikat über eine freiwillige Tätigkeit". Um unsere Spontanität und unseren Willen zum Helfen zu testen, sollten wir innerhalb von eineinhalb Stunden jemandem helfen und uns diese Tätigkeit zertifizieren lassen. Unschlüssig was wir machen sollten zogen wir zu viert los und unser erstes Ziel war der Biergarten an der Hafenpromenade. Leider wollte uns der Chef, wegen fehlendem roten Gesundheitszertifikat, nicht abwaschen oder Kisten schleppen lassen und auch ein Müllaufsammeln im Biergartenbereich war ihm, wegen der vielen Gäste, nicht einzureden. Während die anderen drei Jungs die Aktion dann eher boykottierten und sich lieber ein Bier im Biergarten nebenan genehmigten, fand ich die Aufgabe doch spannend und begab mich auf die Suche nach einer passenden Tätigkeit.

An einer Gartentür traf ich zwei andere Jungs, die auch helfen wollten und gerade bei einem Haus klingelten. Die Hausherrin war der ganzen Sache gegenüber zuerst sehr skeptisch und wollte sogar von einem von uns den Personalausweis sehen. Als wir sie dann aber überzeugt hatten, dass wir ihr Beet säubern und den Garten sauber machen dürfen hat sie sich als äußerst nett herausgestellt. Durch die ungewöhnlichen Voraussetzungen ist natürlich sehr leicht ein Gespräche entstanden und es ist etwas, für mich, unbegreifliches passiert. Ich werkelte gerade im Beet und die Dame hatte eben Saft und Kuchen gebracht. Der Wortlaut war etwa folgender:

"Und wo gehst du dann hin für deinen Zivildienst?"

" Nach Costa Rica…"

"ehrlich? In welche Stadt denn? Nach San José?"

Man hätte hier schon erstaunt sein können, dass sie San José kennt, es kam aber noch schlimmer:

"Nene ich werd nach Palmares gehen, des is zwischen San José und der Westküste."

"Das ist jetzt aber nicht dein Ernst oder? Palmares in Costa Rica?"

"Ja… da arbeite ich im Projekt Reserva Madre Verde, die haben ne Aufforstungsstation und nen Schmetterlingsgarten und so"

Schweigen… die Frau schüttelt den Kopf…

"Du musst mich anlügen, kennst du den Jan Neuer?"

"Nein nie gehört, Sorry…"

"Das ist nämlich mein Neffe, der hat gerade FSJ in Berlin gemacht und geht jetzt noch für 3 Monate nach Costa Rica um einen Freiwilligendienst zu machen. Und zwar nach Pamlares und macht ein ökologisches Projekt."

Betretene Stille, mir klappt die Kinnlade runter.

Sie wusste zwar den Namen des Projekts ihres Neffen nicht, aber da Palmares ja deutlich kleiner ist als Planegg könnte es durchaus sein, dass ich ab Anfang September mit dem Neffen einer Frau zusammenarbeite, der ich, durch reinen Zufall, gestern Nachmittag bei der Gartenarbeit geholfen habe. Und fasst hätte sie uns auch noch abgewiesen, was sagt man dazu? Ich weiß bis jetzt nicht, was ich davon halten soll. Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Zufall ist so dermaßen klein, dass ich mich gar nicht traue, daran zu glauben.

Ich ließ natürlich meine Mailadresse da und sie füllte unsere Formulare aus. Die anderen beiden glücklich die Aufgabe mit Bravour gemeistert zu haben, ich völlig verstört ob der komischen Ereignisse kehrten wir pünktlich zur Auswertung ins Haus Kreisau zurück.

Der Rest des Tages verlief eher unspektakulär, die Party am Abend war zwar sehr nett, man hat aber die niedrige Frauenquote von 5/36 doch deutlich gemerkt. Um 12 sind der Alex und der Georg dann abgereist, was zu dramatischen Verabschiedungsszenen führte. Ich fand den Weg ins Bett so gegen halb 5.

Tag 10:

Nach dreieinhalb Stunden Schlaf steht plötzlich der Thomas, einer der Teamer mit Kochlöffel und Topfdeckel bei mir im Zimmer und scheucht mich aus dem Bett. Den Vormittag verbringen wir mit Aufräumen und dem Feedback über das Seminar. Mittags gibt's leckere Gemüselasagne und wir verabschieden uns von jedem einzelnen mit einem kleinen Smalltalk. Dank Elias bin ich unkompliziert und schnell am Spandauer Bahnhof, wo ich biometrische Passfotos für das Visum und den internationalen Führerschein machen lasse. Im Starbucks treff ich durch Zufall Lisa und Thilo und habe so für die Wartezeit bis zum Zug zwei supernette Gesprächspartner. Die Verabschiedung fällt herzlich aus und so sitze ich nun hier im Zug:

20:49 Uhr: "…In a few minutes we will arrive in Göttingen, sang ju foa träwelling wiss deutsche bahn."

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